Zivilgesellschaft vor Ort

Bewohner*innen gestalten ihren Stadtteil als ihren Lebensort

Sozialräumlicher Bezugsrahmen

„Gruna, der Ort in der grünen Aue“ – steckt darin nicht ein Versprechen auf hohe Lebensqualität? Auch ist Gruna durch seine gute Einbindung in urbane Netze ein attraktiver Wohnort im mittleren Osten Dresdens, wo viele Nachbarn länger wohnen als im Durchschnitt anderer Dresdner Stadtteile.

Sigus e.V. hat den Vereinssitz seit 2010 im Grunaer „Aktivistenviertel“ und engagiert sich seitdem für die zivilgesellschaftlich getragene Weiterentwicklung des Stadtteils, gemeinsam mit den hier Wohnenden und Arbeitenden.

unter dem Titel „Dresden-Gruna – eine Einladung“ ermöglichte Sigus das Erscheinen des ersten Grunaer Stadtteilbuch als Festschrift mit 76 Seiten, Reflexionen von Anwohnern und vielen Fotos. Sie wurde am 18. 09. 2020 dem Oberbürgermeister als Schirmherrn und den Bewohner*innen übergeben. Damit waren wir intensiv im Gespräch mit schon lange hier lebenden wie auch neu zugezogenen Nachbarn und nahmen das von Vorfahren Überlieferte auf.

Nach dem Portrait des heute fast 14.000 Einwohner zählenden Stadtteils werden im zweiten Teil einige Lieblingsorte wie die Gartenheimsiedlung oder der Findlingsbrunnen vorgestellt und Geschichten aus Vergangenheit und Gegenwart erzählt wie zum Beispiel aus den Jahren um den 1. Weltkrieg oder vom Grunaer FriedensCafé in unseren tagen. Auf gehts, diesen vielfältigen Dresdner Stadtteil mit uns zu erkunden und nehmen dazu jene Einleitungsworte von 2020 in uns auf: „Als Gruna 1370 erstmals erwähnt wurde, hatte Europa eine große Pestpandemie eine Generation zuvor gerade hinter sich – und dennoch begonnen, Sümpfe trocken zu legen und neue Siedlungen mit viel Hoffnung zu gründen. So sollten wir angesichts der Coronapandemie unsere bisherigen Lebensmuster und –werte prüfen und pfleglich vor allem mit unserem sozialen Zusammenhalt umgehen.“

Die Publikation ist noch bei uns erhältlich sowie in den Einrichtungen des Stadtteilvereins und seiner Partner. Inzwischen erschienen 2 weitere Broschüren in Regie des Stadtteilvereins. 

Zivilgesellschaftlicher Orientierungsrahmen

Trotz des Aufschwungs im zivilgesellschaftlichen Engagement seit 2017 bleibt viel zu tun: die Nachbarschaften festigen, den Stadtteil als Ganzes und insbesondere Altgruna als Ortszentrum ausbauen und zum lokalen Engagement für eine sozial ausgeglichene und ressourcenschonende Lebens- und Arbeitsweise ermutigen. Im Fokus stehen dabei Sorgende Nachbarschaften und Bewohnerselbstorganisation.

Auf diesem Weg unternehmen wir es, als vor Ort verankerte Impulse zu geben, Partnerschaften und Bündnisse etwa bei den seit 2017 organisierten Nachbarschaftstagen oder über die Grunaer Stadtteilrunde auf- bzw. auszubauen, nachhaltige Vorhaben wie etwa das RepairCafé seit 2018 zu erproben und vor allem hier Lebende und Tätige für ihren Stadtteil zu aktivieren und mit den Möglichkeiten gemeinsamen Handelns vertraut zu machen. Wir arbeiten an dafür guten Bedingungen, indem wir Sie einladen, sich an den Aktivitäten des 2020 auch auf unser Betreiben hin gegründeten Stadtteilverein „In Gruna Leben“ zu beteiligen – mehr unter www.dresden-gruna.de.

Bewohner*innen gestalten ihren Stadtteil – und ihre Wohnverhältnisse?

Neben praktizierter Bewohnerbeteiligung im Städtebau vor Ort und dem Ausbau einer selbstverwalteten soziokulturellen Infrastruktur in den Quartieren mit dem Bürgertreff „Brunaer Aue“ seit 2018 und nun den Aktivitäten rund um den Akazienhof gilt es, auch die Wohnverhältnisse und -angebote mehr zu thematisieren und zu beeinflussen. Durch den Marktcharakter des Wohnens ist das zwar schwierig, aber dennoch meinen wir, Handlungsspielräume zu erkennen, auch aus einer gewissen Tradition des Wirkens von Sigus seit den 1990ern im „Forum für gemeinschaftliches Wohnen“.

Einen Meilenstein auf diesem Weg verkörperte 2022 die Werkstatt „Patenschaftlich Wohnen“ aus Anlass des Bemühens vieler Nachbarn Garten und Villa Akazienhof als Nachbarschaftskultur- und Naturzentrum wieder zu beleben und aufzubauen. Mit „Auf dem Weg zu Sorgenden Nachbarschaften“ übertitelt war sie als Generationen-Werkstatt zum Abschluss der Grunaer Nachbarschaftstage am 23. und 24. September 2022 organisiert. Im Zuge der Wiederbelebung des zuletzt verwahrlosten Grundstücks „Akazienhof“ luden wir Nachbarn ein, miteinander und mit dem Stadtteilverein und dessen Partnern zu ihren Wohnverhältnissen im Gespräch zu sein. Die Werkstatt gab Einblicke in Vielfalt und Nutzen patenschaftlicher Wohnformen und fragte nach:          

bereits gelebten Beispielen für patenschaftliches Wohnen im Sinne des Teilens von Wohnraum und von Ressourcen im Quartier

für vitale Nachbarschaften und patenschaftliches Wohnen förderlichen Rahmenbedingungen

der Rolle von Zivilgesellschaft, Projektverbünden, Bürgerstiftungen, Akteuren aus Wohnungswirtschaft und Kommune und natürlich von Kooperationen im Stadtteil.

Das Protokoll zur Ideenwerkstatt bündelt wesentliche Konzepte und den Erfahrungsschatz der Beteiligten, spiegelt jedoch das lebendige und konstruktive Zusammensein der 25 Teilnehmenden aus Bürger- und Gemeinschaftsprojekten, von Behörden und Beratungsstellen zu Wohnen und wohnbegleitenden Hilfen und von Vertretern des Studentenwerkes oder des jungen Unternehmens „Wohnen in Dresden“/WID nur ansatzweise.

Eingangs wurden die Bremer Quartiershäuser vorgestellt, wo unter einem Dach verschiedene Wohnformen angesiedelt und im Bedarfsfall mit Unterstützungsangeboten im sozialen Nahraum verknüpft sind. Das Quartier der kurzen Wege trifft auf eine gewisse Vielfalt von Wohn- und Versorgungsformen gleich nebenan. Danach war auf anderen Wegen der Reiz des näheren Zusammenlebens mit Angehörigen anderer Altersgruppen zu erfahren wie „Wohnen für Hilfe“, „Wohnen für Bildung“ oder in Gemeinschaftswohnprojekten; diskutiert wurden zudem verschiedene Möglichkeiten (selbst verantworteter) Nachbarschaftshilfe. Wenn wir am Ende Potentiale und Perspektiven für Gruna erkundeten, flossen darin auch sehr unterschiedliche Erfahrungen aus anderen Städten und Stadtteilen ein. Patenschaftliches Wohnen ist weder ein „geschützter Begriff“ noch ein fixes Konzept, vielmehr verweist es auf differenzierte Handlungsspielräume zwischen dem Polen (familiäres oder Single-) Wohnen in abgeschlossenen Haushalten und stationären Wohn- und Pflegeformen andererseits. Hier gewinnt neben temporären Übergangsformen des Wohnen für Hilfe/Bildung oder Gruppen-/Gemeinschaftswohnprojekten auch nachbarschaftliche Selbstorganisation an Attraktivität – wie in jüngster Zeit und als Pandemiefolge in Gruna.

Diese Einsicht ist ebenso wichtig wie das unbedingte Erfordernis, dafür bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, die endlich aus den Versäulungen von Verwaltungshandeln und Fachdenken heraus müssen. Mehr gefragt sind zudem künftig neben großen Wohnungs- und Wohlfahrtsunternehmen auch Partner aus dem ansässigen Gewerbe, private Hauseigentümer und auch eine neue Kultur des Vererbens von Grundstücken, Vermögen und Erfahrungen.

Letzteres deutet schon einen Handlungsschwerpunkt ab 2023 an, ebenso wie das Beteiligen am Aufbau einer Koordinierungsstelle für gemeinschaftliches Wohnen ab 2025 in Dresden. Im Vorfeld besuchten wir im Juni 2023 Quartiershäuser des Martinsclub sowie Quartiersprojekte der Bremer Heimstiftung und waren im Austausch mit den „Machern“ und Nutzern, sowie Verantwortlichen der Bremer Bau- und Sozialbehörde.

Nachbarschaftskreis Gruna

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