Neuer Ort Alter

INKLUSIVE Senioren altern selbstbewusst und im Verbund der Generationen

Selbstverständnis

INKLUSIVE Senioren verstehen sich als Selbstorganisation von Älteren, also Empowerment, welches ohne Selbstvertretungspflichten und -rechte Betroffener wenig realistisch ist. Empowern durch Befähigen und Ermöglichen ist mithin viel mehr als die oft von (jüngeren) Fachleuten diskutierten Anreize zum Nutzen geförderter Angebote, da es doch um Selbsterkenntnis, -motivation und -wirksamkeit gehen sollte. Neben dem hohen Rang von Biografiearbeit geht es auch um Entwicklung und Pflege der Solidarität und gegenseitigen Wahrnehmung verschiedener Seniorengenerationen untereinander und selbstverständlich auch mit allen Jüngeren.

Altern – unterwegs zu einem neuen Freiheitsort

Trotz zurückgehender körperlicher und psychischer Handlungsspielräume haben gerade Ältere mehr Freiheit im Sinne von Betty Friedan („Alter als neuer Ort“) und brauchen nichts zwangsläufig „zwischen Revolte und Resignation“ nach Jean Amery aufgerieben werden. Diesem humanistischen Credo folgt das Vereins-Projekt seit 2008 und fusionierte nun in INKLUSIVE Senioren.

Oft zu beobachten

Normal ist zunächst bei vielen Senioren ein „Wechselbad“ aus Annehmen des eigenen Alterns bei gleichzeitiger Verdrängung und/oder Sublimierung. Man möchte sich über sich klarwerden und sucht daher den Kontakt zu Gleichaltrigen. Zugleich mag man sich mit „den Alten“ nicht gemein machen, zu denen sich selbst über 80jährige oft nicht rechnen. Aus diesem Zwiespalt resultiert selbstverständlich auch ein widersprüchliches Auftreten. Das darf weder als unangemessen diskreditiert werden, noch darf man die ausgesandten Signale 1:1 interpretieren. Die Aufgabe des Senioren-Empowerment besteht mithin in Angeboten zum „Aushalten“ dieses Zwiespalts, im günstigsten Falle darin, ganz im Sinne von Betty Friedan daraus Gewinn für diese Lebensphase zu schöpfen – Alter als „neuer Ort“

In diesem Sinne beobachten wir national und darüber hinaus eine rasant steigende Zahl literarischer Selbstzeugnisse altwerdender Autor:innen (hier arbeiten wir zur Zeit an einer Übersicht zum Nachlesen).

Gefragt sind auch bei „Normalsterblichen“ Angebote im Rahmen von Biografie- und Zeitzeugenarbeit (nicht nur sozial, sondern eben auch im Städtebau) sowie in der politischen Interessenvertretung. Neuerdings sind auch basierend auf der Wunschzettel-Aktion „Pflegebiografien“ sinnvoll.

3 Wege für bessere Rahmenbedingungen

Bessere Rahmenbedingungen für Senioren-Empowerment müssen an der Eigenwertigkeit und Selbstreflexion Betagter ansetzen, etwa über Einführen folgender Förderkriterien, beispielhaft  in Kommunen:

1.
Kooperation als unbedingtes Förderkriterium
(vergleichbar der EU-Förderung)

2.
Einbau des Erfordernisses von Freiwilligen-/Ehrenamtskonzepten für alle Träger der Wohlfahrtspflege

3.
Hinwirken auf Konzepte für den Altersübergang im Bereich der Stadtverwaltung, von Eigenbetrieben und in der Wohlfahrtsarbeit (Selbstverpflichtung zum Handlungsfeld Altersübergang als Schwerpunkt in Personalpflege und -politik).

Forderung und Fazit:

Ältere müssen als Partner, nicht als Klientel in ihrer (Erfahrungs-)Kompetenz angesprochen und respektiert werden. Eine Möglichkeit ist das von uns immer wieder vorgeschlagene Tandem-Prinzip von Professionellen und Ehrenamtlichen in der Sozialberatung.

Seit 2017 streiten wir etwa im Seniorenbeirat Dresden für das Einrichten eines Seniorenbüros als Anlauf- und Aktivitätsort für diesen großen Bevölkerungsanteil. So könnte sich unter dem Dach des seit 2022 erprobten Mobilen Seniorenbüros erstmals seit 2019 wieder die AG „Austausch über die weitere Entwicklung der Seniorenselbsthilfe in Dresden und der Selbstbestimmung älterer und alter Dresdnerinnen und Dresdner“  treffen und weitere Akteure der SeniorenSelbstorganisation einbeziehen. Allmählich sollte sich herumgesprochen haben, dass Verwaltung inkl. Seniorenbeauftragte nicht allein FÜR Senioren auftreten und handeln dürfen, sondern MIT ihnen. Seniorenbüros können in dieser Doppelstruktur von Fachverwaltung und Betroffenenkompetenz dafür wirken. Letztlich geht es um praktizierte KOOPERATION als Handlungsprinzip zwischen Fachverwaltung und Selbstvertretung von Senioren. Das ist eindeutig ein allseitiger Lernprozess und dafür sind Experimentierfelder nötig, etwa als Seniorenbüros oder Beratertandems im verschiedenen Themenbereichen. 

Und: Um zurückgezogen Lebende anzusprechen, ihre Selbsthilfe-, vielleicht sogar Empowermentpotentiale zu stärken, sollten SeniorenVertrauensleute in ein künftig auszubauendes Gemeindeschwesternsystem zur gesundheitlichen Vorsorge und zu Präventiven Hausbesuchen einbezogen werden; auch hier können Tandem-Strukturen hilfreich sein und auch verwaltungsseitigen Aufwand minimieren. Zugleich werden Seniorvertrauensleute weiter gebildet, also zur eigenen Vorsorge befähigt …  

Praktisch geht es

1.
um das Reaktivieren bzw. Gewinnen langjährig erfahrener Akteure der Dresdner Seniorenselbsthilfe wie AWiG, SeniorExpertenService Dresden/SES, Seniorenakademie oder Kirchgemeinden als Mitstreiter in Netzwerken von Seniorvertrauenspersonen-Pools in allen Stadtteilen und Verknüpfung mit dem Seniorenbüro

2.
ist der zentrale Ort dafür das jeweilige Wohnviertel. Dort wiederum sollte die Mitwirkung Älterer in der örtlichen Nachbarschaftshilfe, Stadtteil- und Heimatvereinen sowie in Städtebauprozessen auch durch das Sozialamt und Seniorenbüro zumindest flankiert werden.

3.
müssen Möglichkeiten für wohlhabendere Senioren und ihrer Netzwerke geschaffen werden, sich materiell und finanziell zu engagieren wie etwa in einer Sorge-Stiftung und/oder als Eigentümer von Grundstücken (s. trias-Stiftung: HAUS IN GUTE HÄNDE – Stiften & Erben).

All diese Bemühungen werden aber langfristig nur fruchten, wenn sich engagierende Ältere von Verwaltung und anderen Institutionen als gleichwertige Partner geachtet und einbezogen erleben.

Sigus e.V. praktiziert dies